1. Oktober 2018

Für eine Bildung­ von morgen – Unser junggrünes Grundverständnis



  • Eine Bildung von morgen – Aber warum das Ganze? 
    • Bildung als persönliches Recht auf individuelle Entfaltung
    • Bildung als gesellschaftliche Grundlage einer mündigen Bevölkerung
    • Bildung als Grundlage von Teilhabe und Erfolg im Leben und Beruf
  • Werte unseres Bildungsverständnisses und Visionen für die Bildung von 
    morgen

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  • Eine Bildung von morgen – Aber warum das Ganze? 

Wir als GRÜNE JUGEND Hamburg betrachten Bildung als eine wesentliche Dimension menschlichen Daseins, die in beson­derer Weise zu einem selbstbestimmten Leben in unserer Gesellschaft in Freiheit und Verantwortung beiträgt. Dabei stehen wir voll und ganz hinter dem Grundrecht auf Bildung und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Hierbei verstehen wir Bildung als einen lebenslangen Prozess für alle Menschen, der darauf ausgerichtet ist, freie Persönlichkeitsent­faltung zu ermöglichen, Talente zu fördern, gesellschaftliche Teilhabe zu garantieren und demokratisches Zusammenleben zu ermöglichen.

Diese elementaren Gründe der Relevanz von Bildung gewinnen im Hinblick auf die aktuellen gesellschaftlichen Trends, der Digitalisierung, des demografischen Wandels, und der Migration sowie auf die Generationenaufgabe – dem Klimawandel – verstärkt an Bedeutung.

Vor dem Hintergrund einer älter werdenden Gesellschaft ergibt sich sowohl die Möglichkeit als auch die Notwendigkeit sich weit über das bisherige formale Bildungssystem hinaus zu bilden. Der digitale Wandel führt zu einer 
Verschiebung von einer wissens- zu einer kompetenzzentrierten Gesellschaft und ermöglicht gleichzeitig neue Formen von Bildung. In unserer 
Migrationsgesellschaft kommt der inklusiven Bildung auch bei der Integration zugewanderter Menschen eine Schlüsselrolle zu. Die soziale Integration wird auch in Anbetracht des fortschreitenden Klimawandels und den daraus resultierenden Fluchtbewegungen eine zentrale Zukunftsherausforderung sein.

Der Klimawandel an sich stellt zugleich eine nur unter der Herausbildung von nachhaltigem Bewusstsein und der Erfahrung von eigener Handlungsfähigkeit lösende Herausforderung dieser Generation dar.

​​​​​​​1.Bildung als persönliches Recht auf individuelle 
Entfaltung

Jeder Mensch soll sich seinen eigenen Interessen gemäß zweckfrei bilden 
können. Bildung soll jeden Menschen dazu befähigen ein eigenverantwortliches und selbstbestimmtes Leben in unserer Gesellschaft in gemeinsamer Verantwortung zu führen, sodass ein gemeinnütziges sowie helfendes Miteinander und die Verwirklichung der Interessen und der eigenen Entwicklungswünsche möglich werden.

Aufgrund dessen ist das Lernen zu Lernen ein grundlegendes Ziel, welches Bildung verfolgen muss. Das Erlernen von Kompetenzen, um sich lebenslang weiter bilden zu können, bildet folglich die Grundlage für ein selbstbestimmtes, selbstgesteuertes und intrinsisch motiviertes Lernen. So wollen wir, dass Bildung die Neugier am Lernen und Forschen der Lernenden erhält und fördert. Besonderer Relevanz ist dabei die Befähigung zum Lernen durch die Hausausbildung von Selbstbewusstsein, Resilienz, Optimismus und Agilität. Erst auf Grundlage einer starken Persönlichkeitsentwicklung und -stabilität kann ein Mensch aus sich heraus sich frei genug und sicher genug fühlen, um der Neugierde freien Lauf zu lassen und folglich selbstbestimmt zu lernen. Als Teil der Entwicklung weg von einem wissensbasierten Bildungsverständnis rücken kognitive, emotionale und soziale Fähigkeiten sowie Fertigkeiten verstärkt in den Mittelpunkt. Bildung muss Menschen ermöglichen kritisch und 
systematisch zu denken, zu reflektieren und zu hinterfragen. Nur so erreichen wir eine Entwicklung hin zu mündigen Bürger*innen und ermöglichen die individuelle Teilhabe in einer pluralistischen Demokratie. 
Auch Interpersonelle und interkulturelle Kompetenzen wie Offenheit, Empathie und Toleranz gehören zu den wichtigsten Kompetenzen unserer Gesellschaft im 21. Jahrhundert, die einen Menschen befähigen Teil eines sozialen Miteinanders zu sein. Die gesellschaftlichen Veränderungen, die wir aktuell auf verschiedenen Ebenen erleben, schreiten in immer rasanterer Zeit voran und formen unser gesellschaftliches Zusammenleben dabei prägnant. Um nicht zu passiven Angepassten der Veränderungen zu werden, muss Bildung für die Selbstbestimmtheit und die aktiven Handlungsmöglichkeiten eines einzelnen Menschens sorgen. Hierfür ist es wichtig, dass der Mensch grundsätzlich eine positive Auffassung von und einen selbstbewussten Umgang mit Wandelbarkeit und Veränderung erfährt. Um dieser Erfahrung zu erreichen, benötigt es einen proaktiven Umgang mit Veränderungen, der Handlungsoptionen aufzeigt und Menschen empowert. Fähigkeiten, wie Kreativität und unkonventionelles Denken, mit denen man sich, die Strukturen und die Gesellschaft, in der man lebt, verändern kann, müssen folglich als Ziel von Bildung erreicht werden.

1.2. Bildung als gesellschaftliche Grundlage einer mündigen Bevölkerung

Bildung findet immer im Verhältnis von Individuum und Gesellschaft statt. Schon John Fitzgerald Kennedy brachte es mit seinem Satz „Es gibt nur eins was auf Dauer teurer ist als Bildung: keine Bildung“ treffend auf den Punkt, dass Bildung nicht nur für die Zukunft jedes einzelnen Menschen wichtig, sondern auch der Schlüssel zur Lebensqualität einer Gesellschaft und für das agile und soziale Zusammenleben in einer Gemeinschaft ist. 
Ein gesellschaftliches Ziel von Bildung ist dabei die Verantwortungsübernahme nicht nur für sich selbst, sondern auch für andere, die Gesellschaft und kommende Generationen. Hierfür bedarf es einer mündigen und kritischen Teilhabe in einer demokratischen, pluralistischen und vielfältigen Gesellschaft.

In Hinblick auf ein sich immer schneller veränderndes Klima ist auch ein 
verstärktes Bewusstsein für die eigene Verantwortung für die Umwelt 
notwendig. Für einen ebensolche nachhaltige Lebensweise und die aktive 
Mitgestaltung einer nachhaltigen Entwicklung der gesamten Gesellschaft wird der Grundstein in der Bildung gelegt. Die Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts wird vor allem durch eine Bildung hin zu einem gegenseitigen, unterstützenden und sozialen Miteinander und einer modernen, aufgeklärten und lebendigen Zivilgesellschaft erreicht. So leistet Bildung einen wichtigen Beitrag zu einer gerechteren, gleichberechtigteren, friedlicheren, toleranteren und nachhaltigeren Welt. So verfolgt Bildung stets das Ziel demokratische Werte als Common Sense der Gesellschaft zu verfestigen und diese als Grundlage für eine offene Gesellschaft zu sichern. 
So ist das Ziel von Bildung – die mündige und kritische Teilhabe an der 
Gesellschaft – neben der Begründung der persönlichen Möglichkeit der 
Teilhabe und Entwicklung zugleich auch gesellschaftlich und politisch zu 
begründen. Denn die Bildung von gleichberechtigten und demokratischen 
Bürger*innen und das Erlernen von demokratischen Werten sowie Kompetenzen für demokratische Meinungsfindungsprozesse stellen die fundamentale Grundlage für den Erhalt der Demokratie dar.

1.3. Bildung als Grundlage von Teilhabe und Erfolg im Leben und Beruf – Doch nicht für Wirtschaftsinteressen

Lebensqualität wird insbesondere von demokratischer Teilhabe, kritisch 
reflektiertem Wissen und dem Wahrnehmen gesellschaftlicher Verantwortung für eine nachhaltige Entwicklung getragen. Bildung ist kommt deswegen die besondere Bedeutung zu. Denn es ist das Grundrecht, welches die Grundlage von Teilhabe an gesellschaftlichem Leben bildet. Deswegen bekämpfen wir konsequent die Ökonomisierung und die damit einhergehende Begründung sowie Logik von Bildung. Dies bedeutet, dass Bildung nicht den Funktionen der Allokation – die Statuszuweisung- und Platzierungsfunktion der Menschen nach ihrer Leistung – sowie der Selektion – Individuen werden durch das Bildungssystem nach ihrer Leistung entsprechend aussortiert – nachgehen sollte. Standardisierung, 
Vergleichbarkeit und Effizienz sollten somit keine Grundwerte von Bildung sein.

Im Gegensatz dazu sollte Bildung die humane Lebensqualität durch kritische 
Reflexionsgabe, gestärktem Neugierdeverhalten und der demokratischen Teilhabe an Gesellschaft ermöglichen.

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2. Werte unseres Bildungsverständnisses und Visionen für die Bildung von morgen

Für uns als GRÜNE JUGEND Hamburg ist unerlässlich, dass Bildung auf den 
Grundwerten der offenen Gesellschaft, Nachhaltigkeit und der Selbstbestimmung fußt. Bildung beruht dabei für uns auf dem Recht auf eine individuelle Entwicklung und die damit einhergehende aktive Mitgestaltung von Diversität und Vielfalt. Alles in allem bildet Gerechtigkeit dabei einen Grundwert unseres Bildungsverständnisses. Deswegen stehen wir für ein chancengerechtes Bildungssystem, das alle Menschen bestmöglich fördert, ermutigt und stärkt. Zugleich kämpfen wir für eine Bildungskultur, die sich durch Werte wie Respekt, Wertschätzung und Beteiligung auszeichnet

Unser Ziel ist eine ganzheitliche Transformation von Lern- und Lehrumgebungen. Hierbei steht die freie und zweckfreie Zugänglichkeit von Bildung für alle Menschen im Mittelpunkt. Dies ist nur über eine großzügige Finanzierung aller Bildungseinrichtung möglich, die Bildung frei in Gänze und lebenslang frei zugänglich macht. Denn wir beziehen deutlich Stellung für eine chancengerechte und für jeden Menschen zugängliche Bildung. Eine Veränderung muss auch dahingehend stattfinden, dass Bildung mehr als bisher als lebenslanger Prozess verstanden und ganzheitlich unter Berücksichtigung und Zusammenwirkung verschiedener Bildungsträger – staatlich und privat – gedacht wird. Unser Bildungsverständnis muss sich von der klassischen Betrachtung von formaler, sprich staatlich institutionalisierter, Bildung hin zu einem erweiterten 
Bildungsbegriff ausweiten. Denn Bildung geschieht jederzeit und an jedem Ort. Besonderer Bedeutung kommt nach unserem Verständnis dabei der Neugierde zu. Als persönlicher Motivations- und Forschungsdrang erzeugt sie eine intrinsische Kraft, die aus Spaß und Interesse automatisch ständiges Lernen hervorbringt. Für jede*n individuellen Menschen soll die Lernerfahrung deswegen selbstgesteuert, auf den sie*ihn zentriert und für jede*n mit ihrer*seiner eigenen Geschwindigkeit ablaufen. Denn wir sehen Bildungsprozesse als etwas höchst Individuelles: Sie verlaufen selten linear und sind auch nur begrenzt planbar. Denn jeder Mensch ist anders, ausgestattet mit unterschiedlichen Talenten, Fähigkeiten und Potenzialen, Träumen und Zielen. Nur so kann die Neugierde der Menschen erhalten und zum sich Bilden genutzt werden. Eine demokratische und partizipative Bildungskultur mit einer offenen Feedbackkultur zwischen Lernenden untereinander sowie Lehrenden und Lernenden ist ebenso wichtig für die Lernumgebung wie die Flexibilität, Offenheit und Wandelbarkeit der Bildungseinrichtungen. Dabei müssen sich Strukturen mitbestimmbar sowie veränderbar sein, um reale Räume für Verantwortung und Mitgestaltung von Lernenden und Lehrenden an ihnen zu ermöglichen. Lernprozesse sollen zugleich stärker forschend, kritisch und untersuchend ablaufen, sodass die Reflexion von Wissen, deren Hinterfragung und gesellschaftliche Kontextualisierung und das Weiterdenken, über das bisher Gelernte hinaus, zur Lernpraxis werden. Um das volle Potential von Bildung auszuschöpfen, muss diese mit langfristig und nachhaltig ausgerichteten Methoden arbeiten, sowie die Möglichkeiten verschiedener Medien, die sich aus dem digitalen Wandel ergeben, nicht nur physisch, sondern auch virtuell nutzen. Für uns als GRÜNE JUGEND Hamburg bedeutet dies zusammenführend, dass projektorientiertes Lernen zum neuen Status-Quo werden muss und Lernen anhand von Schlüsselproblemen der Gesellschaft immer vor dem Hintergrund eines Erwerbes von Aktions- und Handlungskompetenzen geschehen muss. Denn neben der Erkennung und Herausarbeitung von Problemen und Fragstellungen muss Bildung zugleich Handlungsebenen aufzeigen und zum aktiven Eingreifen und Handeln empowern. 
Darüber hinaus müssen die Lernenden verstärkt interaktiv, kooperativ und 
kollaborativ miteinander, voneinander und übereinander lernen. Das kooperative Lernen bildet damit eine fruchtbare Grundlage einer gleichberechtigten Lernkultur des sich gegenseitig Wertschätzen und Unterstützen. Dies ist nur möglich, wenn die Lernenden möglichst viel Zeit miteinander verbringen und auch länger gemeinsam lernen. In eben einer solchen inklusiven Bildungskultur des gegenseitigen Respekts, gilt für uns Gleichberechtigung und Chancengleichheit, die unabhängig von Geschlecht, individuellen Stärken und Beeinträchtigungen, Herkunft oder Einkommen sowie Bildungshintergrund ihrer Eltern, real umgesetzt werden müssen. Ausschlaggebend für eben diese heterogenen voneinander profitierenden Lernkulturen sind die damit verbundenen Stadtentwicklungspläne und die Ermöglichung von sozialer Vermischung in Hamburg.

Neben den grundsätzlichen strukturellen Visionen und dem allgemeinen 
Bildungsverständnis schreiben wir bestimmten Lerninhalten eine besondere 
Relevanz zu. So müssen auch vor dem Hintergrund der drei Trendbewegungen unserer Gesellschaft, sowie zur Stärkung einer offenen demokratischen Gesellschaft folgenden Themenfeldern inhaltliche eine besondere Bedeutung in Bildungsprozessen zukommen.

  • Digitalisierung mit den daraus hervorgehenden Fragestellungen nach der zukünftigen Arbeit, der Wissensweitergabe und Informationsweitergabe, Sicherheit und persönliche Freiheitsrechte sowie der globalen Verbundenheit der Menschen dieser Welt.
  • „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ mit der damit einhergehenden 
    grundlegenden Auseinandersetzung mit dem nachhaltigen Zusammenleben der Menschen aus einer ökologischen sowie auch sozialen Perspektive, sowie einer aktuellen, durch den Klimawandel verstärkt notwendigen handlungsorientierten Untersuchung von Nachhaltigkeit.
  • Allgemeiner politischer sowie europäischer / globaler Bildung mit daraus resultierenden Themenfeldern wie der Relevanz und der praktischen Umsetzung von Demokratie, wie dem globalisierten Wirtschaftssystem, sowie wie der allgemeinen Auseinandersetzung mit Menschenrechten in einer globalisierten Welt.
  • Künstlerische und kreative Bildung und die damit einhergehende 
    Auseinandersetzung mit Innovation, gedanklicher Flexibilität und 
    gleichzeitiger Resilienz, sowie strukturellen gesellschaftlichen 
    Problemen, die kreative und unkonventionellen Lösungen benötigen.

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Wir beauftragen den Arbeitskreis Bildung der GRÜNEN JUGEND Hamburg ausgehend von diesem Bildungsverständnis eine konkrete Ausarbeitung unserer Visionen für die einzelnen Bildungsarten und -formen sowie einen Forderungskatalog für junggrüne Bildungspolitik zu entwickeln.



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