19. Oktober 2020

Racial Profiling den Kampf ansagen



Unsere Forderungen

Um gegen Racial Profiling effektiv vorzugehen, bedarf es unterschiedlicher Maßnahmen auf mehreren Ebenen. Im Folgenden sind Forderungen aufgeführt, die einzeln Racial Profiling nicht beenden können, aber einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung dessen leisten können. Diese Forderungen richten sich sowohl an Bündnis 90/Die Grünen Hamburg als auch an die Landesregierung und Andy Grote sowie auf ihn folgende Senator*innen für Inneres und Sport.

1 Studien zur Ermöglichung einer differenzierten Debatte

Bisher wird sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene eine Studie zu Rassismus und Racial Profiling in der Polizei verhindert. Für die Anerkennung des Problems und für eine differenzierte Debatte über wirksame Maßnahmen ist eine solche Untersuchung allerdings dringend notwendig. Diese darf nicht von der Polizei selbst durchgeführt werden und muss als Grundlage für den politischen Diskurs genutzt werden.

Wir fordern, dass sowohl auf Bundes- wie auch auf Hamburger Landesebene eine Studie zu Racial Profiling und Rassismus in der Polizei durchgeführt und als Grundlage zur weiteren Lösungsfindung verwendet wird.

2 Präventionsmaßnahmen etablieren

Das langfristige Ziel ist es, dass Racial Profiling gar nicht erst vorkommt. Dafür müssen verschiedene Präventionsmaßnahmen getroffen werden, die das Problem sichtbar machen und die Gesellschaft sensibilisieren.

Wir fordern Antirassismustrainings in Aus- und Fortbildung der Polizei. Schon vorhandene „interkulturelle Trainings“ müssen so ersetzt, beziehungsweise ergänzt werden, dass eine antirassistische Grundbildung der Angestellten stattfindet. Solche Trainings müssen verpflichtender Bestandteil der Ausbildung aller bei der Polizei Beschäftigten sein. Auch bereits ausgebildete Polizist*innen müssen mindestens ein Mal ein solches Training absolvieren. Das in der Verfassung festgeschriebene Recht auf Gleichbehandlung in der polizeilichen Praxis gewahrt werden.

Um auch die Stadtbevölkerung für Racial Profiling zu sensibilisieren und über rechtswidrige Handlungsweisen zu informieren, fordern wir eine von Hamburg finanzierte, umfassende Informationskampagne. Diese ist in Zusammenarbeit mit Selbstorganisationen betroffener Communities und unabhängigen Expert*innen aus der Antirassismusarbeit zu erarbeiten. Inhalt dieser Kampagne sollte die Anerkennung von Rassismus als gesamtgesellschaftliches und sicherheitsbehördliches Problem, die Aufklärung über rechtliche Grenzen polizeilichen Handelns, mögliche Hilfestellungen für Betroffene. Es sollte Stellung zu vergangenen Fällen von Racial Profiling in Hamburg bezogen werden.

Wir fordern außerdem eine ausreichende finanzielle Unterstützung von Seiten der Stadt für Projekte, die BIPoC über ihre Rechte während und nach (rassistischen) Polizeikontrollen aufklären. Auch staatliche und nicht-staatliche Stellen, die von Rassismus betroffene Menschen psychologisch und sozial unterstützen, sollen umfassende finanzielle Unterstützung erhalten, um eine Betreuung nach Vorfällen von Racial Profiling bestmöglich gewährleisten zu können.

3 Polizeiliches Handeln: Befugnisse umstrukturieren

Um Racial Profiling in Zukunft nachhaltig zu verhindern, müssen polizeiliche Einsatzstrategien und Vorgehensweisen auf strukturelle Anfälligkeit für rassistische Handlungen untersucht und entsprechend umstrukturiert werden. Wir fordern deshalb eine rassismuskritische Überprüfung und entsprechende Umstellung der üblichen Einsatzstrategien der Hamburger Polizei, unter Einbezug von externen Expert*innen aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft. Im Sinne einer positiven Fehlerkultur sollte eine solche Überprüfung der eigenen Strukturen ein ständiger Bestandteil der Polizei sowie anderer staatlicher Behörden sein.

Insbesondere fordern wir die Abschaffung der „gefährlichen Orte“, an denen vermeintlich verdachtsunabhängige Kontrollen ermöglicht werden. In diesem Zusammenhang fordern wir außerdem die sogenannte „Taskforce Drogen“, welche vor allem in den Stadtteilen St. Georg, St. Pauli und Sternschanze tätig ist, aufzulösen. Beide Einrichtungen fordern rassistische Kontrollen und Übergriffe durch Polizeibeamte strukturell heraus und ihre Wirksamkeit ist stark anzuzweifeln. Zusätzlich fordern wir, im Polizeigesetz an passender Stelle entsprechend des Bremer Vorbilds eine Klausel hinzuzufügen, die explizit verbietet, Kontrollen aufgrund des äußeren Erscheinungsbildes einer Person durchzuführen. Auch wenn weitere Gründe vorliegen müssen diese Fälle als Racial Profiling anerkannt und verboten werden.

Wir möchten hier außerdem explizit die Forderung des Bundesverbandes der Grünen Jugend (siehe Verweise) nach einer Streichung des Ausdrucks „oder grenzpolizeilicher Erfahrung“ aus § 22 (1) des Gesetzes über die Bundespolizei unterstützen. Diese Formulierung stiftet dazu an, auf individuelle, aber besonders gesellschaftliche rassistische Stereotype zurückzugreifen. Wir fordern, dass das Land Hamburg sich für die Streichung dieses Absatzes einsetzt.

Oftmals können Betroffene nicht oder nicht ausreichend beweisen, dass sie aufgrund von rassistischen Zuschreibungen und/oder überproportional oft angehalten werden. Deshalb fordern wir die Einführung eines Quittierungs- bzw. Ticketsystems. Dabei wird im Zuge einer Identitätskontrolle ein standardisiertes Formular von dem*der kontrollierenden Beamt*in ausgefüllt. Dieses Formular soll Zeitpunkt und Ort sowie Anlass der Kontrolle, Angaben der kontrollierten Person (inklusive einer „ethnischen“ und religiösen Selbstbezeichnung) sowie die Dienstnummer des*der kontrollierenden Beamt*in beinhalten. Ein Exemplar des Formulars erhält die kontrollierte Person und ein anderes wird zur statistischen Erfassung polizeilicher Kontrollen bei der Polizei verwahrt.

Um eine sinnvolle wissenschaftliche Aufarbeitung von Racial Profiling und Rassismus in der Polizei gewährleisten zu können, muss zusätzlich zu dem Quittierungssystem eine großflächige Dokumentation von rassistischem Verhalten von Seiten der Polizei passieren. Wir schließen uns der Forderung der Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland (siehe Verweise) nach Meldestrukturen und Statistiken zu polizeilichem Fehlverhalten und deren Wiedergutmachung an. Die gemeldeten Fälle von Rassismus durch Polizeibeamt*innen müssen für zukünftige Weiterarbeit und eine Reflexion polizeilicher Arbeitsmuster für unabhängigen wissenschaftlichen Studien zur Verfügung gestellt werden.

4 Unterstützung von Betroffenen und juristische Ahndung

Racial Profiling kann kurzfristig nicht sofort verhindert/beendet werden. Deshalb fordern wir die Einrichtung von Strukturen, die Menschen unterstützen, die von Racial Profiling betroffen sind. Wir begrüßen zwar die Einrichtung einer Beschwerdestelle in Hamburg, es ist allerdings problematisch, dass diese innerhalb des Polizeipräsidiums angesiedelt ist. Betroffene von Racial Profiling und anderen Formen polizeilicher Diskriminierung und Gewalt müssen sich mit ihren Beschwerden an eine unabhängige Stelle wenden können. Diese sollte niedrigschwellig erreichbar sein, unverzüglich, transparent und angemessen handeln, sowie sich auf die Wahrung der Interessen der betroffenen Personen ausrichten und einen sensiblen Umgang mit ihnen pflegen. Wir fordern die Einrichtung einer solchen mit ausreichenden Befugnissen ausgestatteten unabhängigen Beschwerdestelle, wobei sich an hier aufgeführten schon vorhandenen Konzepten orientiert werden kann (siehe Verweise).

Anstatt sich hinter dem Argument zu verstecken, es sei verboten und deshalb nicht existent, muss Racial Profiling juristisch verfolgt werden. Daher fordern wir die Sanktionierung von Racial Profiling als Diskriminierungstatbestand. Weiter halten wir eine Beweislasterleichterung, nach der die Polizei ihre Unschuld beweisen muss, sofern die betroffene Person den Vorfall eines rassistischen Vorgehens seitens der Polizei glaubhaft machen kann, für sinnvoll. Diese würde die Verfolgung von Racial Profiling vereinfachen und die von Betroffenen schon lange angeprangerte gesamtgesellschaftliche Präsenz rassistischer Denkmuster anerkennen. Als Vorbild kann hier das Berliner Landesantidiskriminierungsgesetz dienen.

Grundlegend für eine Bekämpfung rassistischer Polizeipraxis muss zusätzlich ein gesamtgesellschaftliches Vorgehen gegen Rassismus sein. Dafür verweisen wir unter Anderem auf das 2019 verabschiedete Antirassistische Grundverständnis der Grünen Jugend Hamburg.

Verweise

– Forderung des Bundesverbandes der Grünen Jugend: https://gruene-jugend.de/kein-verfassungsschutz-kein-staat-kein-ueberwachungsapparat/

– Forderungen der ISD: http://isdonline.de/stopp-racial-profiling-sicherheit-fuer-alle-ein-menschenrecht/

– Konzept für eine unabhängige Beschwerdestelle: https://www.bug-ev.org/fileadmin/user_upload/Konzept_UPSPol_final_final.pdf



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